Diese Worte zu Papier zu bringen ist frustrierend. Frustrierend, weil ich den ersten Band der Reihe und all die romantischen Robin Hood-Vibes geliebt habe. Der zweite Band tauscht diese gegen ein neues Setting ein: Tessa & Kronprinz Corrick finden sich auf einem Schiff wieder, um die brüchigen Handelsbeziehungen zum Nachbarland Ostria zu kitten und dadurch womöglich eine neue Quelle für die begehrten Mondflorblüten, dem einzigen wirksamen Mittel gegen die tödliche Krankheit, die Kandala fest in ihren Klauen hält, zu erschließen. Auf der gefahrvollen Reise gerät Tessas Herz gehörig ins Stolpern, als der charmante Kapitän der Tagjäger ihr immer näher kommt und ihr Vertrauen zu Corrick dabei auf eine harte Probe stellt ...
Der Ansatz ist zunächst mehr als vielversprechend, denn ich liebe Geschichten, die auf dem Meer spielen. Kapitän Blakmer lässt Piraten-Flair aufleben, erinnert mich mit seiner charmanten Art direkt an Nikolai Lantsov (Grishaverse) und wickelt nicht nur Tessa in Nullkommanichts um den Finger. Eine Idee, die sich so gut hätte entwickeln können, es letzten Endes aber nicht ganz schafft, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Hüte den Morgen deutet viel an, ohne sich klar auszudrücken und liefert keine konkreten Antworten auf die offenen Fragen aus dem ersten Band. Es gibt Hinweise, vage Andeutungen, aber nichts Handfestes, während der Plot langsam voranschreitet. Mir fehlt es an fesselnden Orientierungspunkten innerhalb der Handlung, doch auf See passiert nicht allzu viel. Der zweite Band der Mondflor-Saga ebnet somit den Weg für den Abschlussband der Reihe - ein typischer "Zwischenband", was wirklich schade ist, da ich Trotze der Nacht unheimlich gerne gelesen habe.
Zwischen Corrick und Kapitän Blakmer entwickelt sich eine Rivalität, die sich auf dem beengten Raum des Schiffs schnell intensiviert. Tessas Gunst wird ein Teil des Wettkampfes, insbesondere da ihre Beziehung zu Corrick durch seine Stellung als Kronprinz alles andere als gefestigt ist. Nach wie vor sehr gefallen haben mir die Szenen zwischen den beiden Brüdern. Harristan & Corrick verbindet eine besondere Beziehung, bedingt durch den frühen Tod ihrer Eltern. Als Corrick Kandala verlässt, ist sein älterer Bruder dazu gezwungen, sich Problemen selbst zu stellen. Er wächst als Charakter, sobald er nicht mehr den königlichen Vollstrecker vorausschicken kann und ich bin gespannt, wie sich der König im Abschlussband der Reihe entwickelt. Die Kapitel aus seiner Sicht sind definitiv eine überraschende und willkommene Abwechslung gewesen.
Ein weiteres Plus an Hüte den Morgen sind die Nebencharaktere, die Brigid Kemmerer mit dem zweiten Band ihrer Trilogie einführt. Allen voran die Mannschaft von Kapitän Blakmer, die ihm loyal ergeben und zu 100% aufeinander eingespielt ist. Es gibt liebevolle Kabbeleien und allerlei Geschichten hinter den Figuren zu entdecken - einfach eine Crew, in deren Mitte es leicht fällt, sich beim Lesen wohlzufühlen.
Für den dritten Band wünsche ich mir einen runden Abschluss und Antworten auf all die offenen Fragen. Bislang ist kein Veröffentlichungsdatum für den Abschlussband der Mondflor-Saga gesetzt. Ich hoffe allerdings sehr, dass die Reihe auch im Deutschen weiter fortgeführt wird.
Fazit: Neues Setting, neues Flair - in Hüte den Morgen tauschen wir die romantischen Robin Hood-Vibes des ersten Bandes gegen die stürmische See ein. Überraschend anders, doch leider nicht ganz so überzeugend wie der Auftaktband. Ein klarer Fortschritt innerhalb der Handlung hat gefehlt - ein typischer "Zwischenband", der auf einen runden Abschluss im dritten Teil hoffen lässt.
Bewertung: 3,5 von 5 Sternen
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