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Rezension zu
Jähzorn

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Aufwühlend: Jähzorn - Caryl Férey

Von: Dunkles Schaf
08.01.2016

Schon als ich das Buch bekommen habe, wusste ich, dass es Zeit und Muse von mir erfordern würde und genau so war es denn auch. Aus diesem Grund hab ich es mir aufgehoben, bis ich Urlaub hatte und jetzt, über Weihnachten/Neujahr habe ich es endlich gelesen. Es war sehr anstrengend, aber auch spannend, interessant, wütend und aufwühlend. Rubén Calderón ist Privatdetektiv in Buenos Aires. Allerdings nicht einfach irgendeiner, er ist spezialisiert auf die Verschwundenen, Menschen, die während der Militärdiktatur in Argentinien verschwunden sind. Rubén selbst, sowie sein Vater und seine Schwester, sind in dieser Zeit entführt und gefoltert worden, nur er kam zurück. Durch seine Suche nach den Verschwundenen, versucht er auch die Täter von damals zur Verantwortung zu ziehen, die größtenteils einen schönen Lebensabend genießen. Doch dann kommt Jana zu ihm, eine indianische Bildhauerin, die ihn auf die Suche nach Paula schickt, ihrer besten Freundin und ein Transvestit. Gleichzeitig versucht er die verschwundene Maria Campallo zu finden, die Tochter eines reichen Unternehmers, der den Bürgermeister unterstützt. Die Suche nach diesen beiden entpuppt sich als Reise durch die Vergangenheit, doch auch heute ist es noch so, dass wer zu viele Fragen stellt, gefährlich lebt. Mit Caryl Férey wirft man einen Blick in eine der düstersten Perioden der argentinischen Geschichte: die Militärdiktatur von 1976-1983. In dieser Zeit sind Tausende Menschen verschwunden, von den Militärs ganz offen entführt worden. Diese Menschen wurden gefoltert, ihrer Kinder beraubt und lebendig aus Flugzeugen geworfen. Die Grausamkeit in dieser Zeit scheint keine Grenzen zu kennen und die meisten der Verschwundenen sind nie wieder aufgetaucht. „Ein Toter ist ein Grund zur Trauer; eine Million Tote sind eine Nachricht. Dreißigtausend war die Zahl der desaparecidos, der ‚Verschwundenen‘“ (S. 45) Zwanzig Jahre später sucht Rubén, der selbst die Folter ertragen musste, nach den Verschwundenen. Gemeinsam mit den Abuelas de Plaza de Mayo, einer Organisation von Großmüttern, die den Verbleib der in Gefangenschaft und illegal zur Adoption freigegebenen Kinder untersucht. Nur etwa 100 dieser Kinder – von über 500 – wissen bisher von ihrer Identität, die anderen sind immer noch unwissend. Auch wenn Rubén sich erst noch sträubt Janas Fall bzw. den von der verschwundenen Maria Campallo zu widmen, kann er doch nicht anders, denn schon kurze Zeit später weisen die Spuren zu den Verschwundenen. Rubén Calderón ist getrieben von einem Ziel: die Verschwundenen zu finden und die Täter zu überführen. Abgesehen von seiner Mutter, der Präsidentin der Abuelas, hat er niemanden und will auch niemanden in seiner Nähe. Seine Obsession sind die Verschwundenen. Das „traurige Notizbuch“ enthält seine Zeit als Verschwundener – ein Manifest der Grausamkeiten, die ihm angetan wurden. Jana ist eine Mapuche. Sie ist von ihrem Stamm weggegangen und nach Buenos Aires gegangen, hat sich prostituiert um zu überleben und es irgendwann geschafft, ihre Kunst auszuüben: die Bildhauerei. Nicht sehr erfolgreich, aber mit Überzeugungen und den Geschichten ihrer Vorfahren gefüllt, macht sie sich Sorgen als Paula verschwindet, nachdem ein paar Tage zuvor die Leiche eines anderen Transvestiten gefunden wurde. Es war wirklich sehr anstrengend das Buch zu lesen, aber eben auch lohnend. Noch kaum habe ich ein Buch gelesen, welches mich so mitgenommen hat. Zehrend ist vielleicht das richtige Wort. Der Schreibstil macht es einem nicht leicht, er ist ausufernd und bildgewaltig, hin und wieder gespickt mit spanischen Wörtern und doch zieht er einen in seinen Bann. Der Kriminalfall ist wirklich nebensächlich, es geht um die Aufarbeitung der Vergangenheit, die ihre Fänge in die jetzige Zeit wirft. Alternde Generäle, die an ihrem Status und schönen Leben hängen und sich nicht ihrer Verantwortung stellen wollen, eklige alte Männer, denen es Spaß macht, zu foltern und zu erniedrigen, reiche Unternehmer, die ihre „verdienten“ Ländereien und Pesos nicht abgeben wollen, papierne Kardinäle, die an ihrer Einstellung festhängen und diese mit den letzten Zähnen verteidigen. Es ist ein gewaltiges Aufbäumen, welchem Rubén und Jana sich entgegen stemmen müssen. Es ist Aufopferung und Beharrlichkeit, die beide Protagonisten ausstrahlen und den Leser folgen lassen. Fazit: Schwerer Stoff, doch wer sich herantraut, hat ein beeindruckendes Werk in den Händen. Nachhaltig, aufrührend, mitreißend.

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