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Rezension zu
Sie sagt. Er sagt.

Sie sagt. Er sagt./Von Schirach in gewohnter Höchstform

Von: die_buecherweltenbummlerin
04.03.2024

Sie sagt: Er hat mich vergewaltigt. Er sagt: erstmal nichts. Um herauszufinden, was an dem Nachmittag des 14. August passiert ist, tagt ein Berliner Landgericht in einer Verhandlung, bei dem die Kläger sowie Sachverständige und unerwartete Zeugen zu Wort kommen. Ein klarer Fall also. Oder? Worum geht´s? Das Buch handelt von dem Fall einer Vergewaltigung. Doch da von Schirach es seinen Leser*innen ungern leicht macht, zeigt er auf, wie facettenreich dieses Verbrechen erscheinen kann. Die Vorstellung von einem Gewalttäter, der im Park eine Joggerin überfällt, um sie dann zu missbrauchen, wird hier wird nicht bedient. Stattdessen geht der Autor auf die Komplexität ein: Der Täter ist der Liebhaber des vermeintlichen Opfers. Der Akt findet zunächst einvernehmlich statt. Zunächst. Es geht also nicht darum, einen Triebtäter hinter Gittern zu bringen. Vielmehr stellt sich die Frage, wo einvernehmlicher Geschlechtsverkehr aufhört und der Straftatbestand der Vergewaltigung beginnt. Um diese Frage zu beantworten, betrachten die Leser*innen den Fall aus verschiedenen Perspektiven. Beweisstücke werden vorgelegt. Alles scheint eindeutig. Bis die Verteidigung Fragen stellt, die wiederum den gesamten Fall infrage stellen. Die Überzeugung wird erschüttert. So fährt die Verhandlung fort. Bis sich schließlich jemand zu Wort meldet, der einen völlig neuen Aspekt einbringt. Mit "Sie sagt. Er sagt." findet Ferdinand von Schirach ein weiteres Mal zu literarischen Höhen. Seine Sätze sind von einer charakteristischen Kürze geprägt. Besonders gelungen erscheint in diesem Kontext, dass es dem Schriftsteller trotz der Kürze gelingt, seinen Figuren Leben einzuhauchen, indem er ihnen allein durch ihre wörtliche Rede Charisma verleiht. Da ist Schlüter, die weiblich, sanft, gleichzeitig gefasst und klug auftritt. Biegler, der Vertreter der Nebenklägerin, der gelangweilt und provozierend daherkommt. Vor dem inneren Auge entsteht ein Mann, der auf seinem Stuhl lümmelt wie ein unartiger Schuljunge. Der frech grinst, hineinruft, die Krawatte nachlässig gebunden hat. Wie für von Schirach üblich, füttert er sein Werk mit sachlichen/fachlichen Informationen. Hier lässt er anhand von Sachverständigen darüber informieren, wie die Zahlen in Bezug zu Vergewaltigungen aussehen, wer Opfer, wer Täter sind, wo dieses Verbrechen am häufigsten stattfindet und welche Folgen Frauen zu berücksichtigen haben, sollten sie sich dazu entschließen, den Täter anzuzeigen. Fazit: Mit "Sie sagt. Er sagt." legt Ferdinand von Schirach ein Werk vor, das an seine üblichen literarischen Hochleistungen anknüpft. Der Fall ist klug arrangiert. Winzige Spuren werden gelegt. Widersprüchliche Aussagen werden gemacht. Verwirrende Fragen werden gestellt. Und am Ende bleiben Leser*innen zurück, deren Köpfe noch mit dem Fall und der daraus resultierenden Verhandlung beschäftigt sind, während sich die Herzen am Lesererlebnis eines klassischen von Schirach erfreuen. Ferdinand von Schirach, Sie sagt. Er sagt.: Ein Theaterstück, btb, 2024. Einen ganz herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar!

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