hat Angela Merkel anlässlich des 70. Gedenktages der Befreiung von Auschwitz gesagt. »Wir haben die immerwährende Verantwortung, das Wissen über die Gräueltaten von damals weiterzugeben und das Erinnern wachzuhalten.«
Diese Sätze sind heute aktueller denn je. Gegen das Vergessen muss die Geschichte des größten Konzentrationsund Vernichtungslagers, das innerhalb weniger Jahre der größte Friedhof der Welt wurde, immer wieder neu erzählt werden. Dazu gehört auch, wie dieser Ort in den Jahrzehnten nach seiner Befreiung am 27. Januar 1945 wahrgenommen, das Geschehene aufgearbeitet wurde.
Aber so wichtig diese Fakten – die Momente der Geschichte – sind, sie können nur im Zusammenhang mit den Geschichten jener Menschen stehen, die Auschwitz erlebt haben, überlebt haben. Denn nur sie konnten Zeugnis ablegen von der Brutalität des Erlittenen und dem Ausmaß des Genozids. Den Verlusten in der eigenen Familie setzten sie die Gründung neuer Familien entgegen – und gaben die aus der Zeit der Verfolgung, Demütigung und Todesangst resultierenden Traumata an ihre Nachkommen weiter. Doch anders als die Zweite Generation, die der Kinder, die noch sehr viel stärker geschützt werden sollte und umgekehrt auch die verletzten Eltern schützen wollte und deshalb das Schweigen der Überlebenden akzeptierte, stellte die Dritte Generation Fragen. Und bekam (meistens) Antworten.
Inwieweit hat die Tatsache, dass der Großvater, die Großmutter Auschwitz-Überlebende sind, die eigene Geschichte geprägt, habe ich deshalb Enkelinnen und Enkel gefragt und dabei möglichst wenig Einfluss auf den Gesprächsverlauf genommen, denn es sind ihre Narrative und die ihrer Familie. Auschwitz ist definitiv ein Teil der Biografie dieser Menschen, denen ich dafür danke, dass sie mich in unseren Gesprächen an ihrem Leben teilhaben ließen.
Danken möchte ich auch Dr. Kurt Grünberg, der sich als Psychoanalytiker in seiner Praxis und als Mitarbeiter des Siegmund-Freud-Instituts in Frankfurt am Main mit der Tradierung der Traumata der Überlebenden der Shoah an die nachfolgenden Generationen beschäftigt und sein Wissen in das von ihm verfasste Vorwort dieses Buches hat einfließen lassen.
So wie das auf dem Cover des Buches abgebildete Stelenfeld in Berlin das »Denkmal für die ermordeten Juden Europas« darstellt, ist Auschwitz das Synonym für die Shoah (»Brandopfer«), wie Juden es benennen. Doch Auschwitz ist auch das Synonym für den Porajmos (»Verschlingen«), wie Sinti und Roma den Mord an ihrem Volk bezeichnen, ebenso natürlich auch für die Qualen und den gewaltsamen Tod von Kommunisten, Kriegsgefangenen, Homosexuellen, Zeugen Jehovas und anderen Verfolgten. Auschwitz als bekanntestes KZ ist aber auch das Synonym für unzählige andere Orte des Leidens und des Sterbens. Sobibor, Treblinka, Majdanek, Chelmno auf polnischem Boden, Bergen-Belsen, Dachau, Ravensbrück, Buchenwald auf deutschem Gebiet – um nur einige zu nennen.
Viele Großeltern der von mir befragten Enkelinnen und Enkel haben nicht nur Auschwitz aushalten müssen, sondern auch weitere KZs. Deshalb ist dieses Buch stellvertretend geschrieben für alle anderen Lager und für alle anderen Leidenswege unter der NS-Herrschaft. Gewidmet ist es all jenen, die diesem »Verbrechen an der Menschheit« zum Opfer fielen.
Andrea von Treuenfeld